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Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Kirschen

Dr. Eberhard Schüle

 

Hintergrund der Untersuchungen

Kirschen gehören aufgrund ihres charakteristischen Aromas und ihres angenehm süßen Fruchtfleisches mit hohem Saftgehalt zu den beliebten sommerlichen Steinobstarten. Foto: Kirschen am Baum; Wikimedia.Neben dem Direktverzehr und der Verwendung als Zutat in einer Vielzahl von Süßspeisen, werden Kirschen auch in größerem Umfang zu Saft und Spirituosen verarbeitet. Kirschen sind jedoch auch bei Insekten beliebt. So stellt die Kirschfruchtfliege einen gefürchteten Schädling im Kirschenanbau dar, da sie ihre Eier in die Kirschen ablegt, woraus sich Maden in den befallenen Kirschen entwickeln. Um dies zu verhindern, wird die Kirschfruchtfliege durch die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln (Insektizide) bekämpft. Um Pilzerkrankungen der Kirschen zu verhindern, werden Pflanzenschutzmittel aus der Gruppe der Fungizide angewendet. Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung wurden deshalb auch in diesem Jahr Kirschen auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln untersucht.

 

Am CVUA Stuttgart wurden in der ersten Jahreshälfte 2009 insgesamt 36 Proben Kirschen aus konventionellem Anbau auf Rückstände an Pflanzenschutzmitteln untersucht. 22 dieser Proben stammten aus Deutschland und diese überwiegend aus einheimischem Anbau in Baden-Württemberg. In 31 von 36 Proben (86 %) waren Rückstände meist mehrerer Pflanzenschutzmittel in gesundheitlich unbedenklichen Gehalten vorhanden. 4 Proben einheimisch angebauter Kirschen wurden als „nicht sichere und damit nicht zum Verzehr geeignete Lebensmittel“ gemäß Verordnung (EG) Nr. 178/2002 beurteilt, da die in diesen Proben festgestellten Rückstandsgehalte des Insektizids Dimethoat und seines Abbauprodukts Omethoat zu einer Überschreitung der toxikologisch noch akzeptablen Aufnahmemenge, der sogenannten akuten Referenzdosis (ARfD), führen können (Erläuterung siehe Infokasten). Eine gesundheitliche Beeinträchtigung kann in diesen Fällen, insbesondere bei Kleinkindern mit hohem Kirschenverzehr, nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Diese 4 Kirschproben waren somit nicht verkehrsfähig und zu vernichten.

Infokasten

Akute Referenzdosis (Acute Reference Dose, ARfD)

Zur Bewertung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, die eine hohe akute Toxizität aufweisen und schon bei einmaliger oder kurzzeitiger Aufnahme gesundheitsschädliche Wirkungen auslösen können, eignet sich der ADI-Wert ( acceptable daily intake) nur eingeschränkt. Da er aus längerfristigen Studien abgeleitet wird, charakterisiert er eine akute Gefährdung durch Rückstände in der Nahrung möglicherweise unzureichend. Deshalb wurde neben dem ADI-Wert ein weiterer Expositionsgrenzwert eingeführt, die sogenannte acute reference dose (akute Referenzdosis, ARfD). Die Weltgesundheits­organisation hat die ARfD als diejenige Substanzmenge definiert, die über die Nahrung innerhalb eines Tages oder mit einer Mahlzeit aufgenommen werden kann, ohne dass daraus ein erkennbares Gesundheitsrisiko für den Verbraucher resultiert. Anders als der ADI- wird der ARfD-Wert nicht für jedes Pflanzenschutzmittel festgelegt, sondern nur für solche Wirkstoffe, die in ausreichender Menge geeignet sind, die Gesundheit schon bei einmaliger Exposition schädigen zu können.

 

Quelle: http://www.bfr.bund.de/cm/218/grenzwerte_fu...on_pflanzenschutzmittelrueckstaenden.pdf

 

Ausführliche Darstellung der Ergebnisse

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Ergebnisse der Rückstandsuntersuchungen bei Kirschen im Jahr 2009 sowie einen zusammenfassenden Vergleich mit den vorhergehenden Jahren.
Bei 4 Proben war die akute Referenzdosis (ARfD) bezüglich der festgestellten Rückstandsgehalte des Pestizids Dimethoat mit seinem Abbauprodukt Omethoat überschritten, weshalb diese Proben als „nicht sichere Lebensmittel“ gemäß Verordnung (EG) Nr. 178/2002 beurteilt wurden, da ein gesundheitliches Risiko beim Verzehr dieser Kirschen, insbesondere bei Kleinkindern mit hohem Kirschenverzehr, nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Insgesamt wurden in 11 (50 %) von 22 Kirschproben aus Deutschland Rückstände von Dimethoat bzw. Omethoat nachgewiesen, die Gehalte lagen in 7 Fällen unter der zukünftigen, als toxikologisch ausreichend sicher erachteten europäischen Höchstmenge von 0,2 mg/kg, in 4 Fällen lagen die Gehalte, wie vorhergehend ausgeführt, über diesem Wert. In allen untersuchten Kirschenproben ausländischer Herkunft wurden ebenfalls Rückstände von Pflanzenschutzmitteln festgestellt, wobei in 7 (50 %) von 14 Proben ebenfalls Rückstände von Dimethoat/Omethoat nachgewiesen wurden, die Rückstandsgehalte lagen jedoch in allen Fällen unter der als toxikologisch ausreichend sicher erachteten, zukünftig geltenden Höchstmenge von 0,2 mg/kg.

Infokasten

Die Anwendung des Dimethoat enthaltenden Pflanzenschutzmittels „Perfekthion“ zur Bekämpfung der Kirschfruchtfliege unterliegt in Deutschland sehr strengen Auflagen. Das Mittel war 2009 nicht generell, sondern nur für 120 Tage gemäß § 11 Pflanzenschutzgesetz bei entsprechendem Befallsdruck („Gefahr im Verzuge“) unter Auflagen zugelassen, wobei diese Genehmigung schon die zukünftige Höchstmenge zu Grunde legte. In den Anwendungsauflagen ist u.a. festgelegt, dass Früchte aus behandelten Anlagen vor der Ernte auf Rückstände an Dimethoat und Omethoat zu untersuchen sind und die behandelte Ware bei Befunden oberhalb von 0,2 mg/kg der Vernichtung zuzuführen ist. Bisher galt ein Wert von 1 mg/kg.

Tabelle 1: Rückstände in Kirschen aus konventionellem Anbau (CVUA Stuttgart Januar - Juli 2009)
Herkunftsland Anzahl Proben Proben mit
Rückständen
Proben mit
Mehrfach-rückständen
Proben
über
der HM
Stoffe über
der HM
Proben mit ARfD-Ausschöpfung
> 100 %
Proben mit nicht zugelassenen
Stoffen*
Nicht zugelassene Stoffe 1)
Deutschland 22 21 (95%) 19 (86%) 0 - 4 (18%) 1 (5 %) Thiophanat-methyl
Andere
EU Länder

(1x Frankreich, 1x Griechen-land, 5x Italien,
4x Spanien)
11 11 (100%) 9 (82%) 0 - 0 - -
Drittländer
(2x Türkei, 1x Chile)
3 3 2) 2 2) 0 - 0 - -
Summe

Zum Vergleich:
2008
2007
2006
2005
36


30
27
54
33
35 (97%)


28 (93%)
27 (100%)
50 (93%)
32 (97 %)
30 (83%)


26 (87%)
24 (89%)
46 (85%)
28 (85 %)
0


1 (3%)
0
3 (5,6%)
6 (18%)
-


Thiamethoxam
-
3 3)
7 4)
4 (11%)


0
-
-
-
1 (3%)


2 (7%)
1 (4%)
0
7 (21%)
-


Captan, Ethephon
Oxydemeton-S-methyl
-
10 5)

 

Tabelle als Grafik anzeigen.

 

HM = Höchstmenge

1) Wirkstoffe, die allgemein in Deutschland oder nicht für die Anwendung bei dieser Kultur zugelassen sind (Indikationszulassung)

2) Datenbasis für prozentuale Auswertung zu gering

3) Stoffe über der HM in 2006: Fenbuconazol, Imidacloprid, Trifloxystrobin

4) Stoffe über der HM in 2005: Acetamiprid, Cyprodinil, Oxydemeton-methyl (3x), Pyrimethanil, Thiacloprid

5) Befunde nicht zugelassener Stoffe in 2005: Clofentezin, Cyprodinil, Diazinon, Fenthion (2x), Fludioxonil, Oxydemeton-methyl (3x), Pyrimethanil

 

Rückstände nicht zugelassener Wirkstoffe

In einer Probe einheimischer Kirschen wurden Rückstände des nicht für die Anwendung bei Kirschen zugelassenen fungiziden Wirkstoffs Thiophanat-methyl festgestellt (Indikationszulassung).

Infokasten

Indikationszulassung (§ 6 Pflanzenschutzgesetz)

Die Indikationszulassung gilt für alle Pflanzenschutzmittel seit dem 01.07.2001 und besagt, dass zugelassene Pflanzenschutzmittel nur in den Anwendungs­gebieten eingesetzt werden dürfen, die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL, Zulassungsdatenbank: www.portal.bvl.bund.de/psm/jsp/) festgesetzt sind.

 

Wirkstoffspektrum

Bei der diesjährigen Untersuchung von Kirschen aus konventionellem Anbau wurden bisher insgesamt 32 verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen. Einen Überblick über das Stoffspektrum der 2009 in Kirschen nachgewiesenen Wirkstoffe und die Befundhäufigkeit dieser Wirkstoffe bei Kirschen in den vorhergehenden Jahren gibt Abbildung 1. Die Bedeutung, die der Bekämpfung der Kirschfruchtfliege beim Kirschenanbau zukommt, zeigt sich auch darin, dass die beiden insektiziden Wirkstoffe Dimethoat und Acetamiprid, die beide zur Bekämpfung der Kirschfruchtfliege eingesetzt werden, die häufigsten Rückstandsbefunde im Jahr 2009 darstellen und auch in den Vorjahren mit zu den am häufigsten in Kirschen nachgewiesenen Wirkstoffen gehören.

 

Grafik: Wirkstoffspektrum.

 

Bildernachweis

Kirschen am Baum, Fotograf: Jophi, 2005. Dieses Bild wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht.

 

Artikel erstmals erschienen am 07.09.2009 08:34:58

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