„Hundemalaria“, die Babesiose des Hundes, eine lebensbedrohliche Reise- und Importkrankheit

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Christine Süß-Dombrowski, Fachtierärztin für Pathologie

 

Die Babesiose des Hundes, auch Piroplasmose genannt, ist ein lebensgefährliches „Mitbringsel“ aus Süd- und Süd-Ost-Europa. Sie ist tödlich, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Wir möchten anlässlich eines am CVUA Stuttgart diagnostizierten Todesfalles über das Krankheitsbild Babesiose beim Hund aufklären. Der Hundewelpe starb im Alter von 11 Wochen circa 1 Woche nach Einreise nach Deutschland. Warum?

Der Tierbesitzer berichtete uns:

Er hatte einen 11 Wochen alten Mischlingshund von einem Hunde-Händler gekauft. Dieser habe noch andere Welpen aus Bulgarien zum Verkauf angeboten.


Nach dem Kauf war der Welpe noch einen Tag gesund, dann wurde er apathisch und schlief viel. Der Hundehalter deutete dies zunächst als starkes Erholungs- und Schlafbedürfnis. Am Abend jedoch traten Durchfall und Erbrechen auf. Nun hatte er sich doch Sorgen gemacht und sich für den nächste Morgen beim Tierarzt einen Termin geben lassen. Der Welpe hatte jedoch die Nacht nicht überlebt. Nun wollte er wissen, warum der Hund gestorben war.

 

Der Welpe sei gegen alle Junghundekrankheiten geimpft gewesen – auch gegen Tollwut – und er sei mehrfach gegen Parasiten behandelt worden. (Hinweis: der Import von Hundewelpen nach Deutschland ist aus Impfschutzgründen erst ab der 15. Lebenswoche zulässig.)

 

Unser Sektionsbefund

Der gut gepflegte und gut genährte 4 kg schwere Welpe fiel schon bei der äußeren Besichtigung durch eine hochgradige Blutarmut und Gelbsucht der Schleimhäute auf. Die Milz war pulpös, die Leber gelb-orange, die Nieren braun-rot und die Darmlymphknoten markig hochgradig geschwollen. Die interstitiellen Bindegewebeanteile der Unterhaut, der Lungen und des Thymus waren durch zitronengelbe Ödemflüssigkeit stark verbreitert. Der Urin war kaffeebraun, klar und wässrig. Es lagen keine Symptome vor, wie sie bei caniner Parvovirose, Hepatitis contagiosa canis (HCC, ansteckende Leberentzündung) oder Staupe gefunden werden können.

 

Fotos 1: Hundewelpe, 11 Wochen alt , 4 kg und Foto 2: Blutarmut der Bindehaut und leichte gelbliche Verfärbung.

Abb. 1: Hundewelpe, 11 Wochen alt , 4 kg
Abb. 2: Blutarmut der Bindehaut und leichte gelbliche Verfärbung

 

Foto 3: Hundewelpe mit Gelbsucht (Ikterus).

Abb. 3: Hundewelpe mit Gelbsucht (Ikterus).

 

Foto 4: hochgradige Milzschwellung und Foto 5: Leberschwellung mit Gelbsucht (Ikterus).

Abb. 4: hochgradige Milzschwellung
Abb. 5: Leberschwellung mit Gelbsucht (Ikterus).

 

Histologischer Befund

In Lunge und Leber fanden wir Mikrothromben und Blutungsherde, in der Niere ebenfalls Mikrothromben und degenerative Schäden an den Nierenkanälchen. Das Knochenmark war aktiv, d.h. Blutzellen waren in Entwicklung. Das Epithel in der Dünn- und Dickdarmschleimhaut war intakt. Entzündungssymptome lagen auch in den sonstigen untersuchten Organen (Gehirn, Bauchspeicheldrüse, Herz) nicht vor.

 

Laboruntersuchungen

Auf Grund des Sektionsbefundes, nach Ausschluss gängiger Infektionserreger junger Hunde sowie mit Blick auf die Herkunft des Hundes aus Bulgarien, beauftragten wir ein Speziallabor, das Tierärztliche Labor Freiburg, das Blut auf Babesiose zu untersuchen. Mittels PCR (Polymerasekettenreaktion) konnten Gensequenzen von Babesia spp. nachgewiesen werden. Eine weitere Spezies-Differenzierung war für unsere Diagnosestellung nicht erforderlich.

 

Bei der virologischen Untersuchung konnte Canines Parvovirus immunchromatographisch nachgewiesen werden. Allerdings fehlten sowohl die makroskopischen als auch die histologischen Organveränderungen, so dass wir eine Parvovirose als Todesursache ausschließen konnten.

 

Die bakteriologische Untersuchung der Organe sowie die parasitologische und elektronenmikroskopische Untersuchung des Darminhaltes sind ohne Hinweise auf andere Erkrankungen verlaufen.

 

Infokasten

Canine Babesiose (Piroplasmose, „Hundemalaria“)

Die Babesiose ist eine durch Blutparasiten hervorgerufen Erkrankung, die vorwiegend in warmen und feuchten Klimazonen, wie Südfrankreich, Norditalien und Süd-Ost-Europa auftritt. Der Parasit vermehrt sich in den roten Blutkörperchen und lässt diese platzen. Eine oft tödliche Blutarmut und Nierenschäden sind die Folge. Die Babesien werden durch Zecken übertragen.

 

Klinische Bilder

  1. akut hohes Fieber, Apathie, Appetitlosigkeit, Blutarmut, Gelbsucht, kaffebrauner Urin oder
  2. subakut leichtes bis vorübergehendes Fieber, Abmagerung, Leistungsschwäche, geringe Blutarmut.

 

Diagnose

Klinisches Bild, epidemiologische Kenntnisse, Labornachweis von Babesien im Blut.

 

Behandlung

Die Behandlung muss unverzüglich erfolgen, da dem Hund irreversible Nierenschäden oder der Tod durch Blutarmut drohen. Antiprotozoika, z.B. Imidocarb, sprechen im frühen Studium gut an.

 

Weiterführende Informationen

Der Erreger

Die Babesiose ist eine Krankheit, die von einer ganzen Gruppe mikroskopisch kleiner Blutparasiten, den Babesien (beim Hund z.B. B. canis oder B. vogeli) verursacht wird. Außer dem Hund können sich auch Rinder, Pferde und viele andere Tierarten mit ihren artspezifischen Babesien infizieren und an Babesiose erkranken. Babesien vermehren sich in den roten Blutkörperchen und lässt diese platzen. Eine Blutarmut durch Mangel an roten Blutkörperchen und Freisetzung großer Mengen Blutfarbstoff (Hämoglobin) ist die Folge. Es können jedoch auch krankmachende komplexe Immunreaktionen auftreten, die die Organfunktion von Nieren, Gelenken, Lunge, Muskel, Herz, Leber und Augen schädigen.

 

Übertragung

Babesien werden in Europa durch verschiedene Zeckenarten übertragen. Die verschiedenen Babesienarten sind an spezielle Zeckenarten adaptiert. Babesia canis des Hundes wird von der Auwaldzecke, Dermacentor reticulatus, übertragen. Babesia vogeli ist an die braune Hundezecke, Ripicephalus sanguineus, angepasst. Der bei uns häufig vorkommende Holzbock, Ixodes ricinus, überträgt nicht die Babesien des Hundes.
Die Zecken können sich bei ihrer Blutmahlzeit an einem infizierten Tier anstecken und den Erreger beim Stich auf das nächste Tier übertragen. Die Inkubationszeit, die Zeit vom Stich bis zum Ausbruch der Erkrankung, beträgt 5 bis 28 Tage.

Eine Übertragung der Blutparasiten bei Bluttransfusionen ist möglich. Diskutiert wird die direkte Übertragung bei Hundekämpfen durch Biss.

Die Babesiose des Hundes wird nicht auf den Menschen übertragen.

 

Verbreitung

Die Babesiose der Hunde ist eine Erkrankung warmer und feuchter Klimazonen, wie Südfrankreich, Norditalien und Süd-Ost-Europa. Babesia canis wird zwar von der Auwaldzecke übertragen, jedoch bedeutet das umgekehrt nicht, dass in Regionen, in denen die Auwaldzecke gefunden wird, auch die Babesiose vorkommt. Die Lage ist komplexer, wie das Beispiel Frankreich zeigt. Die Auwaldzecke ist in Frankreich weiter verbreitet als die Erkrankung der Hunde an Babesiose. Das Risiko einer Babesien-Infektion variiert dort von Region zu Region:
https://www.esccap.fr/maladies-vectorielles/piroplasmose-babesiose.html.

 

In Deutschland wird die Auwaldzecke insbesondere am Oberrhein und im Saarland beobachtet:
http://ecdc.europa.eu/en/healthtopics/vectors/tickmaps/DermacentorReticulatus_Map_Distribution_January2016.jpg.

 

Klinisches Bild

Das Krankheitsbild hängt von der individuellen Empfindlichkeit sowie von den krankmachenden Eigenschaften des Erregers ab. Es gibt verschiedenen Verlaufsformen.
Akute fieberhafte Form: Hohes Fieber, Apathie, Appetitlosigkeit. Häufig, jedoch nicht immer zu beobachten, tritt Blutarmut, Gelbsucht und dunkler bis kaffeebrauner Urin auf.
Subakute Form: leichtes oder vorübergehendes Fieber, Abmagerung, Leistungsschwäche, geringe Blutarmut

Atypische Form: Störungen der Bewegung (Ataxie, Parese), des Nervensystems (epileptiforme Anfälle), Erkrankung der Lunge und der Augen.

 

Diagnose

Babesien werden heute üblicherweise morphologisch im Kapillarblutausstrich und mittels PCR (Polymerasekettenreaktion) aus einer Vollblutprobe nachgewiesen.
Der Nachweis des Erregers gelingt nicht immer. Daher ist es wichtig, das klinische Krankheitsbild zu kennen sowie die Verbreitung des Erregers in der Region, in der der Hund sich aufhielt. Der Zeckenbefall ist häufig nicht mehr nachvollziehbar.

 

Behandlung

Die Behandlung muss unverzüglich erfolgen, da dem Hund irreversible Nierenschäden oder Tod durch Blutarmut drohen.

Die Hunde sprechen auf die Therapie mit Antiprotozoika, z.B. Imidocarb, gut an. Bei schwerer Anämie kann eine Bluttransfusion angezeigt sein.

 

Vorbeugung

Folgenden Maßnahmen sind möglich:

  • Meiden Sie den Freilauf ihres Hundes in Hochrisikogebieten für Babesien.
  • Beugen Sie Zeckenbefall mit nachweislich gut wirksamen, veterinärmedizinischen Präparaten vor und entfernen Sie die Zecken nach dem Spaziergang oder der Jagd so schnell wie möglich mit der Zeckenzange.
  • Aktiver Impfschutz ist in einigen Ländern möglich und sinnvoll, nicht jedoch in Deutschland. Die Impfung verhindert nicht die Infektion sondern mildert die klinischen Symptome.
  • Eine vorbeugende Chemotherapie ist in Ausnahmefällen möglich.

 

Links

 

Literatur

  • M. Donald Mc Gavin, James F. Zachary: Pathologie der Haustiere (2009)
  • M.A. Taylor, R.L. Coop, R.L. Wall: Veterinary Parasitology (2015)

 

Artikel erstmals erschienen am 15.08.2016