Die Druse im Bauch: Ungewöhnlicher Verlauf einer altbekannten Krankheit

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Ingo Schwabe

 

Im März 2016 wurden zwei eingeschläferte Pferde zur Obduktion an das CVUA Stuttgart gebracht. Beide Tiere hatten seit Jahresanfang stark abgenommen und ihr Allgemeinzustand hatte sich zunehmend verschlechtert. Sie stammten aus einem Stall, in dem im November und Dezember 2015 Fälle von klassischer Druse aufgetreten waren. Die beiden hier untersuchten Pferde schienen jedoch nicht betroffen zu sein. Bei der pathologischen Untersuchung wurde jedoch in beiden Fällen eine seltene und außergewöhnliche Verlaufsform der Druse als Krankheitsursache gefunden.

 

Die Druse ist eine durch das grampositive Bakterium Streptococcus equi subsp. equi hervorgerufene Infektionskrankheit des Pferdes und anderer Equiden. Die Krankheit ist hoch ansteckend und führt bei den betroffenen Tieren zu einer meist mit hohem Fieber einhergehenden Entzündung der Bindehäute und der Schleimhäute von Nase, Rachen, Stirn- und Kieferhöhlen sowie der Luftsäcke. Typisch für die Erkrankung ist zudem eine eitrige Entzündung der Lymphknoten im Bereich von Kopf und Rachen, die häufig zu einer hochgradigen Schwellung und Abszedierung dieser Lymphknoten führt. In seltenen Fällen kann sich der Erreger über die Blutbahn auch auf andere Organe ausbreiten.

 

Vorberichtliche Angaben

Bei einem der obduzierten Pferde handelte es sich um eine im Juni 2013 geborene Württemberger Stute, die seit Anfang Februar 2016 durch Gewichtsabnahme und apathisches Verhalten aufgefallen ist. Als Anfang März eine Kolik auftrat, wurde die Stute in einer Pferdeklinik operiert. Hierbei fiel eine gut mannskopfgroße Umfangsvermehrung in der Bauchhöhle auf. Daraufhin wurde das Pferd eingeschläfert. Das zweite untersuchte Tier war ein im Juli 2015 geborenes Deutsches Sportpferd-Fohlen. Es litt unter Gewichtsabnahme und sich verschlimmernder Gelbsucht, kam zum Festliegen und wurde dann ebenfalls eingeschläfert. Beide Pferde kamen aus demselben Stall, in welchem im November und Dezember 2015 bei anderen eingestallten Pferden Fälle von Druse aufgetreten waren.

 

Obduktionsbefunde und mikrobiologische Untersuchung

Die pathologische Untersuchung der Tierkörper ergab in beiden Fällen ein identisches Sektionsbild. Trotz vorberichtlich beschriebener Gewichtsverluste waren die Pferde bei gutem Ernährungszustand. Der Verdauungstrakt der Stute war gut gefüllt, der Inhalt des Dickdarmes jedoch leicht eingetrocknet. Das Fohlen hatte nur noch sehr wenig Futterbrei in Magen und Darm. Die Schleimhaut des Rachens war bei beiden Tieren chronisch entzündet (sog. chronische follikuläre Pharyngitis). Der Hauptbefund lag jedoch im Bauchraum vor. An der vorderen Gekrösewurzel fand sich jeweils eine gut mannskopfgroße Umfangsvermehrung, die mit den umgebenden Strukturen an mehreren Stellen entzündlich verklebt war und auch erheblichen Druck auf die Nachbarorgane ausübte.

 

Foto: Umfangsvermehrung an der vorderen Gekrösewurzel . Foto: Abfluss von Eiter aus dem angeschnittenen Abszess.
Abb. 1: Umfangsvermehrung an der vorderen Gekrösewurzel Abb. 2: Abfluss von Eiter aus dem angeschnittenen Abszess

 

Im Anschnitt stellten sich diese beiden Umfangsvermehrungen als mehrfach gekammerte, dickwandige Abszesse dar und waren mit rahmigem, elfenbeinfarbenem Eiter gefüllt.

 

Durch die bakteriologische Untersuchung konnten aus den Abszessen jeweils Streptococcus equi subsp. equi und Streptococcus equi subsp. zooepidemicus als verursachende Bakterien nachgewiesen werden.

 

Foto.

Abb. 3: Wachstum von Streptococcus equi subsp. zooepidemicus (oben) und Streptococcus equi subsp. equi (unten) auf Blutagar

 

Diagnose und Diskussion der Untersuchungsergebnisse

Bei beiden Pferden bestand die Krankheitsursache in einer hochgradigen Abszedierung der Lymphknoten der vorderen Gekrösewurzel. Zudem litten die Tiere an einer chronischen Entzündung der Rachenschleimhaut. In beiden Fällen konnte aus den Abszessen bakteriologisch eine Infektion mit Streptococcus equi subsp. equi, dem Erreger der Druse nachgewiesen werden. Aus den Abszessinhalten konnte zusätzlich Streptococcus equi subsp. zooepidemicus kulturell angezüchtet werden. Bei der klassischen Verlaufsform der Druse äußert sich die Erkrankung in einer hoch fieberhaften Entzündung der Schleimhäute der oberen Atemwege, meist mit Abszedierung der Lymphknoten im Rachen- und vorderen Halsbereich. Ist die körpereigene Abwehr durch das Immunsystem nicht in der Lage, den Erreger an einem Eindringen in die Blutbahn zu hindern, so kann sich das Bakterium mit dem Blutstrom in anderen Organen ansiedeln. Geschieht dies, so sind besonders häufig die Lymphknoten an der vorderen Gekrösewurzel im Bauchraum betroffen. In unseren beiden Fällen hatte die Infektion mit dem Druseerreger im Rahmen des Druseausbruchs im Herkunftsstall im Winter 2015 zu einer nicht erkannten Rachenschleimhautentzündung geführt. Die typische Schwellung der Lymphknoten am vorderen Hals stellte sich nicht ein. Stattdessen konnte sich Streptococcus equi subsp. equi direkt auf die Lymphknoten an der vorderen Gekrösewurzel ausbreiten und zu den fatalen Entzündungen führen. Streptococcus equi subsp. zooepidemicus ist als Erreger der Fohlenfrühlähme bekannt. Das Bakterium kann aber auch andere Krankheitsbilder bei Pferden, anderen Säugetieren und dem Menschen hervorrufen. Unter anderem ist dieser Keim auch häufig an Entzündungen des Rachenraumes beteiligt. In unseren Fällen hat Streptococcus equi subsp. zooepidemicus im „Schlepptau“ von Streptococcus equi subsp. equi als sogenannter Sekundärerreger zu einer Verkomplizierung des Krankheitsbildes beigetragen.

 

Infokasten

Die Druse des Pferdes

Die Druse des Pferdes (Englisch: Strangles) ist eine fieberhafte Infektionskrankheit, die durch das grampositive Bakterium Streptococcus equi subsp. equi verursacht wird. Die Erkrankung ist hoch ansteckend und kann sowohl über direkten Kontakt infizierter Tiere als auch indirekt (z.B. über kontaminierte Gegenstände) übertragen werden. Die Inkubationszeit beträgt zwischen vier und vierzehn Tagen. Vorwiegend betroffen sind Pferde bis zum Alter von fünf Jahren. Die klassischen Symptome bestehen in Fieber, Mattigkeit, eitrigem Nasenausfluss und hochgradiger Schwellung der Kehlgangslymphknoten. Eine Streuung des Erregers über die Blutbahn mit Erkrankung anderer Organsysteme ist möglich. In diesen Fällen sind besonders häufig die Lymphknoten an der vorderen Gekrösewurzel betroffen. Der Erreger wird in der Regel bis zu sechs Wochen nach der akuten Erkrankung ausgeschieden. Einzelne Tiere können aber über viele Monate als Dauerausscheider fungieren und so zu einer Persistenz des Erregers in einem Bestand führen. 75% der Pferde, die eine Druse überstanden haben, sind langanhaltend immun gegen eine Reinfektion. 25% sind innerhalb weniger Monate wieder empfänglich für eine Neuerkrankung.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart

 

Quellen

Selbitz, H. J., Truyen, U.,Valentin-Veigand, P.: Tiermedizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. Enke Verlag Stuttgart, 2015

Baumgärtner, W., Gruber, A.: Spezielle Pathologie für die Tiermedizin. Enke Verlag Stuttgart, 2015

 

Artikel erstmals erschienen am 16.06.2016