Dekoartikel, die mit Lebensmitteln verwechselbar sind, können eine Gefahr für Kinder sein

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Magdalena Köhler

 

In zwei Projekten hat das CVUA Stuttgart in 2015 Dekorationsartikel, die mit Lebensmitteln verwechselt werden können, auf ein gegebenenfalls von ihnen ausgehendes Risiko der Verschluckbarkeit geprüft. Bei positivem Befund folgten eine Überprüfung der äußeren Beschaffenheit und stoffliche Eigenschaften.

Bilder von diversen Laborproben.

 Bilder 1 und 2: Laborproben

 

Beurteilung des Sachverständigen

Der Sachverständige muss bei Deko-Gegenständen im ersten Schritt prüfen, ob die Form, ihres Geruchs, ihrer Farbe, ihres Aussehens, ihrer Aufmachung, ihrer Kennzeichnung, ihres Volumens oder ihrer Größe zu einer Verwechslung mit einem Lebensmittel führen könnte. Hierbei müssen jedoch nicht alle aufgezählten Merkmale eintreten. Die Deko-Weintraube ist zum Beispiel. aufgrund ihres Aussehens und ihrer Größe verwechselbar, der Geruch jedoch ist nicht mit einer Weintraube verwechselbar. Trotzdem ist es vorhersehbar, dass die Weintraube aufgrund ihres gesamten Erscheinungsbildes vom Verbraucher zum Munde geführt, gelutscht oder geschluckt wird und es muss die Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals entstehen können. Erst wenn die Verwechselbarkeit, die Vorhersehbarkeit und die Gefahr bewiesen werden kann, darf eine Probe nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 LFGB beurteilt werden.

 

Infokasten

Wann ist ein Gegenstand verschluckbar?

Zur Überprüfung der Verschluckbarkeit eines Gegenstandes, wird der Gegenstand mittels Prüfzylinder gemäß DIN EN 71-1 (Sicherheit von Spielzeug) geprüft. Hierzu wird die Probe in den Zylinder geführt, passt die Probe vollständig hinein, ist sie verschluckbar. Bei kugelförmigen Gegenständen wird zusätzlich mit der Prüfschablone E nach DIN EN 71-1 getestet. Passt die Probe vollständig durch diese Schablone, gilt der Gegenstand als Small Ball (kleiner Ball) [2]. Die „kleinen Kugeln“ bergen ein großes Risiko (siehe Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung).

 

Unsere Untersuchungen

Es wurden insgesamt 34 Dekorationsgegenstände (von Duftkerzen, Deko-Äpfeln, Deko-Pfirsichen bis hin zu Deko-Beeren und Glassteinen) untersucht.

 

Bilder von Erdbeeren und Weintrauben.

Bild 3 (links): Zwei Deko-Erdbeeren und drei „richtige“ Erdbeeren
Bild 4 (rechts): Täuschend „echte“ Weintrauben

 

Fünf Proben (Deko-Erdbeeren, Deko-Trauben, Deko-Äpfel und Deko-Sträucher mit Beeren) wurden aufgrund ihrer Verwechselbarkeit und zweimal aufgrund ihrer Abmessungen sowie dreimal aufgrund scharfer Kanten gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 LFGB als nicht verkehrsfähig beurteilt.

 

Zwei Proben wiesen Maße auf (kugelförmig, Durchmesser ca. 1,7 bis 2,5 cm), die insbesondere beim Verschlucken dazu führen können, dass eine ungehinderte Passage des Verdauungstraktes nicht vorausgesetzt werden kann und Kinder daran ersticken können.

Wenn Gegenstände Weichmacher enthalten, werden die darin enthaltenen Weichmacher im Magen-Darm-Trakt herausgelöst und zurück bleibt der harte, kantige Gegenstand ohne Weichmacher, der eine Perforation des Verdauungskanals verursachen kann. Bei drei Proben traten nach Extraktion des Weichmachers (Simulation des Magen-Darm-Trakts) spitze Kanten auf bzw. einzelne Produkte wiesen an sich schon scharfe Kanten auf.

 

Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR)

Gerade oral aufgenommene, kugelförmige Objekte mit kritischer Größe haben das Potenzial akut zu einer vollständigen Verlegung der Atemwege zu führen, mit sofort einsetzender Erstickungssymptomatik. Wenn keine Selbst-Befreiung (Schlucken, Husten) gelingt und auch Maßnahmen durch Außenstehende (z.B. Heimlich-Manöver, durch Kompression des Bauchraums wird versucht den Fremdkörper durch den entstandenen Überdruck aus den Atemwegen zu befördern) nicht erfolgreich sind, folgt der Tod innerhalb weniger Minuten. Insbesondere kugelförmige Objekte mit einem Innendurchmesser von 14 mm bis zu 44,5 mm sind besonders kritisch. Nach Nr. 5.10 a) DIN EN 71-1 dürfen Spielzeuge demnach keine „kleinen Kugeln“ sein oder abnehmbare „kleine Kugeln“ enthalten.

 

FAZIT: Wenn sich Kinder in Ihrem Haushalt befinden, sollten Sie lieber auf täuschend echte Dekorationsmaterialien, die verschluckt werden können, verzichten.

 

Quellen

[1] LFGB: Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 26. Januar 2016 (BGBl. I S. 108)

[2] DIN EN 71-1 Sicherheit von Spielzeug - Teil 1: Mechanische und physikalische Eigenschaften, Deutsche Fassung EN 71-1:2014

 

Artikel erstmals erschienen am 10.08.2016