Bisphenol F in Senf – wie kommt der Bisphenol A-ähnliche Stoff in die Würze?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Ulrike Kielmeier

 

Schmuckelement.

Metallische Behälter für Lebensmittel, wie Konservendosen, Tuben und Getränkebehälter, sind zum Schutz des Lebensmittels vor dem Übergang von Metallen häufig im Inneren beschichtet. Zur Herstellung dieser Beschichtung werden Bis-phenole und Bisphenolderivate eingesetzt. Nachdem Bis-phenol A (BPA) in der Öffentlichkeit aufgrund seiner endokrinen Wirkung in die Kritik geriet, suchen die Hersteller nach Ersatzstoffen. Für die dem BPA sehr ähnlichen (analogen) Stoffe liegen oftmals keine toxikologischen Bewertungen vor. Das CVUA Stuttgart hat 16 Senftuben auf den Übergang von Bisphenol A und 16 weiteren Bisphenolderivaten und -analoga untersucht und ist dabei auf hohe Mengen an Bisphenol F (BPF) gestoßen.

 

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Bisphenol A und Bisphenol F im Vergleich

BPA wird für die Herstellung verschiedener Kunststoffe und Kunstharze verwendet. Es wird derzeit von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) als reproduktionstoxisch eingestuft. Reproduktionstoxische Verbindungen können die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und das Kind im Mutterleib schädigen.

 

BPF ist ein Strukturanalogon von BPA, d.h., dass beide Stoffe eine sehr ähnliche Struktur aufweisen (siehe unten). Solche Analoga können auch ähnliche biologische Wirkungen hervorrufen. Ob dies der Fall ist, muss jedoch in aufwendigen und langwierigen wissenschaftlichen Studien ermittelt werden.

 

Strukturformeln BPA und BPF.

 

Untersuchungsergebnisse

Insgesamt wurde der Senf von 16 Tuben untersucht, wobei 9 mittelscharfe, 5 scharfe bzw. extra scharfe und 2 süße Senfe vertreten waren.

 

Schmuckelement.

 

Der Senf wurde mittels QuEChERS Methode aufgearbeitet und die daraus erhaltenen Extrakte mittels UHPLC-MS/MS (Ultra-Hochleistungs-flüssigkeits-Chromatographie-Massenspektrometrie) analysiert. BPF wurde in 11 Proben süßen und mittelscharfen Senf mit Gehalten zwischen 850 µg/kg und 6200 µg/kg ermittelt. Auffällig war, dass alle 5 Proben scharfen und extrascharfen Senfes keine oder nur geringe BPF-Gehalte von weniger als 35 µg/kg enthielten. Die Ergebnisse sind in der nachfolgenden Grafik dargestellt.

 

Abb.: BPF-Gehalte in süßem, mittelscharfem und scharfem/extra scharfem Senf.

Abb.: BPF-Gehalte in süßem, mittelscharfem und scharfem/extra scharfem Senf.

 

Unter den Proben befanden sich auch mittelscharfe und scharfe Senfe desselben Herstellers. Da davon auszugehen ist, dass der Hersteller gleichartige Tuben für die verschiedenen Produkte verwendet, sind die unterschiedlichen Befunde in scharfem und mittelscharfem Senf auffallend.

 

Interpretation der Ergebnisse – BPF entsteht bei der Senfherstellung

Die Resultate lassen darauf schließen, dass das BPF nicht aus der Verpackung stammt. Das Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat in früheren Untersuchungen bereits ähnlich hohe BPF-Gehalte in süßem und mittelscharfem Senf festgestellt. In einer Studie des BLV wurde bestätigt, dass das BPF nicht durch eine Kontamination durch die Verpackung verursacht wird, sondern bei der Herstellung des Senfes aus natürlich vorkommenden Glucosinolaten entsteht (http://www.blv.admin.ch/themen/04678/04711/06141/index.html?lang=de).

 

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Glucosinolate

Glucosinolate, auch Senfölglycoside, sind schwefel- und stickstoffhaltige Verbindungen, die verantwortlich für den scharfen Geschmack in Senf und anderen Pflanzen der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceen) sind. Weißer Senf, der zur Herstellung von milden und mittelscharfen Senfsorten verwendet wird, enthält das Glucosinolat Sinalbin. Brauner Senf, der zur Herstellung scharfer Senfe verwendet wird, enthält vorwiegend Sinigrin.

 

Strukturformeln Sinigrin und Sinalbin.

 

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Senf%C3%B6lglycoside

 

Nach Aussage des BLV wird BPF nur bei der Herstellung von süßem und mittelscharfem Senf gebildet, da seine Entstehung in Zusammenhang mit dem in weißem Senf vorkommenden Sinalbin steht. Der genaue Bildungsweg ist noch nicht geklärt ([3]). Die Daten des CVUA Stuttgart bestätigen jedoch diese Aussage.

 

Bewertung: Ist das BPF gesundheitsschädlich?

BPF ist ein Strukturanalogon von BPA, für das bisher keine ausreichenden toxikologischen Bewertungen und kein gesetzlicher Grenzwert vorliegen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kam in seiner Stellungnahme zur Bewertung möglicher gesundheitlicher Risiken durch Bisphenol F in Senf vom 08. Juni 2015 zu dem Schluss, dass unerwünschte Wirkungen auf die Gesundheit durch BPF in Senf unwahrscheinlich sind. Grundlage dieser Bewertung ist eine sogenannte Expositionsabschätzung. Dabei wird abgeschätzt wieviel BPF ein Erwachsener durchschnittlich aufnehmen wird. Unter der Annahme einer mittleren täglichen Verzehrsmenge von 4 g Senf und dem maximalen gemessenen Gehalt von 6200 µg BPF/kg Senf, ergibt sich für einen Erwachsenen (mit 70 kg Körpergewicht) eine tägliche Aufnahmemenge von 0,35 µg/kg Körpergewicht. Auf Grund der strukturellen Ähnlichkeit von BPF und BPA wurde für die gesundheitliche Bewertung von BPF der vorläufige von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgeleitete Wert für die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (t-TDI) für BPA von 4 µg/kg Körpergewicht und Tag herangezogen. Die abgeschätzte tägliche Aufnahmemenge von 0,35 µg BPF/kg Körpergewicht liegt deutlich unter dem t-TDI von 4 µg/kg Körpergewicht und Tag für BPA. Die festgestellten Gehalte an BPF in Senf stellen somit nach derzeitigem Wissensstand ein geringes Risiko für die menschliche Gesundheit dar.

 

Das BfR weist jedoch darauf hin, dass die Datenlage unzureichend ist und weitere toxikologische Studien, sowie Abschätzungen zur Exposition für eine abschließende Bewertung erforderlich sind.

 

Quellen

[1] Veröffentlichung des Schweizer Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV (19.06.2015)
[2] Bewertung des Bundesinstitutes für Risikobewertung zu möglichen gesundheitlichen Risiken durch Bisphenol F in Senf – 08. Juni 2015
[3] Bisphenol F in Senf: Fakten und Risikobewertung des BLV

 

Artikel erstmals erschienen am 14.07.2015